Am 17. September 2021 eröffnet die Hall Art Foundation auf Schloss Derneburg eine Überblicksschau mit Werken der international renommierten US-amerikanischen Künstlerin Susan Rothenberg (1945-2020). Rothenberg war eine Künstlerpersönlichkeit, die in den letzten fünfzig Jahren immer wieder die Konventionen der Malerei in Frage gestellt und Grenzen neu gesteckt hat. Sie vermischte abstrakte und gegenständliche Kunst und ließ ihre Figuren mit dem Hintergrund verschmelzen. Die Ausstellung zeigt über 20 Gemälde, die Rothenbergs figurativen, emotional aufgeladenen und gestischen Stil nachvollziehen, angefangen mit ihren kultigen Pferde-Bildern aus den Siebzigern bis hin zu ihren aktuellsten Werken des letzten Jahrzehnts.
Im Jahre 1975 hatte Rothenberg ihre erste Einzelausstellung in New York in 112 Greene Street, einem alternativen Ausstellungsraum in SoHo. Dort zeigte sie drei großformatige Pferdebilder, darunter auch Algarve (1974), das nun zum ersten Mal seit fast 40 Jahren wieder in Deutschland ausgestellt wird. Auf fast 3 Metern Höhe zeigt Algarve die vordere Hälfte eines Pferdes vereinfacht im Profil. Das gesamte Bild ist in meliertem Weiß gehalten, auf dem sich die Umrisse des Pferdekörpers abheben. Schwarze Dreiecke unter Hals und Beinen des Pferdes verflachen das Bild weiter und heben jegliche optische Täuschungen auf. Rothenbergs Pferdebilder, die auch als Ersatz für die menschliche Gestalt galten, wurden wegweisend für die neue Gegenständlichkeit der Siebzigerjahre, die 1978 in der Ausstellung „New Image Painting“ im Whitney Museum ihren Höhepunkt fand. Als Vorreiterin und einzige weibliche Künstlerin war Rothenberg auch 1982 bei der legendären Ausstellung „Zeitgeist“ im Martin-Gropius-Bau in Berlin mit drei Pferdebildern vertreten, darunter auch hier Algarve.
In den 1980ern wurde Rothenbergs Praxis intuitiver und expressionistischer. Ihre Werke waren inspiriert von ihrer unmittelbaren Umgebung sowie von persönlichen Erfahrungen. Sie nahm mehr und mehr Farben in ihre Gemälde auf und explorierte immer wieder neue Arten der Raumaufteilung im Bild, insbesondere bei der Darstellung von Körpern in Bewegung. In Werken wie Trumpeter (1984-85) wird die Auf- und Ab-Bewegung der Trompete beim Spielen durch kräftige, stark durchgearbeitete Farbflächen mit immer wieder aufblitzendem Weiß lebendig. Im späteren Werk Caput Violet (1989-90) hingegen wird die Bewegung in einer unmöglichen “U-Pose” festgehalten. Die Beine der Figur sind weit vom Oberkörper weg nach hinten gebeugt. Der Einsatz von Farbe und Pinsel schafft in diesen Werken ein zunehmendes Gefühl von Dringlichkeit mit Sujets in spannungsvoll aktivierten Räumen.
Nach ihrem Umzug von New York nach New Mexico 1990 spiegelten Rothenbergs Motive auch ihre neue Umgebung wider, sowohl die Tiere in ihren Bildern als auch die Landschaft. In Werken wie Dog and Snake (2004-05) dominieren Tierdarstellungen intensiv durchgearbeitete Farbflächen mit fragmentierten und abstrahierten Körpern. Auch die Farbpalette ist sichtbar von der Wüstenlandschaft beeinflusst. Alle Werke aus dieser Zeit sind geprägt durch dynamische Bewegung im gesamten Bild.
Gegen Ende der 2000er Jahre wandte sich Rothenberg erneut dem menschlichen Körper als Hauptmotiv zu. Vor minimalistischen, jedoch stark durchgearbeiteten Hintergründen zeigen Werke wie Blue Flash (2009-10) und The Master (2008) Körperfragmente in kräftigen Farben, die vereinzelt und in unwirklichen Positionen auf der gesamten Bildfläche verteilt sind. Hier werden Körper zu Formen und Rothenberg demonstriert, wie aus der Abbildung einer Figur eine Studie über Raum und Form werden kann.
Susan Rothenberg wurde 1945 in Buffalo, New York, geboren und erlangte ihren Bachelor of Fine Arts an der Fine Arts School der Cornell University in Ithaca, New York. Rothenbergs Werk ist international bekannt und wurde sowohl in den USA als auch weltweit ausgestellt. Frühe Einzelausstellungen waren in der Kunsthalle Basel (1981-82), im Stedelijk Museum Amsterdam (1982) und im Los Angeles County Museum of Art, von wo aus die Ausstellung in sieben weiteren Museen in den USA und weiteren Ländern gezeigt wurde (1983-85). Eine von der Albright-Knox Art Gallery Buffalo zusammengestellte Retrospektive führte ihre Gemälde ins Hirshhorn Museum, Saint Louis Art Museum, Museum of Contemporary Art Chicago, Seattle Art Museum und ins Dallas Museum of Art (1992-94). Weitere Ausstellungen waren im Museo de Arte Contemporáneo in Monterrey, Mexico (1996-97), und „Susan Rothenberg: Paintings from the Nineties“ im Museum of Fine Arts Boston (1999). Die Überblicksschau „Moving in Place“ wurde vom Modern Art Museum of Fort Worth kuratiert und anschließend im Georgia O’Keeffe Museum Santa Fe sowie dem Miami Art Museum gezeigt (2009-11). Ihre Werke finden sich in bedeutenden Sammlungen auf der ganzen Welt, wie etwa die Albright-Knox Art Gallery, das Hirshhorn Museum, das Los Angeles County Museum of Art, The Metropolitan Museum of Art, das Museum of Fine Arts Houston, The Museum of Modern Art New York, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig, Vienna, die National Gallery of Art Washington, D.C., das Stedelijk Museum, Tate London, das Walker Art Center Minneapolis, das Whitney Museum New York sowie Crystal Bridges in Bentonville, Arkansas.
Susan Rothenberg wird vertreten von der Galerie Sperone Westwater, New York, wo sie regelmäßig von 1987 bis zu ihrem Tod im Jahr 2020 ausstellte.
Diese Ausstellung wird begleitet von einer neuen Publikation mit Texten der Künstlerin und von Peter Schjeldahl.
Susan Rothenberg
Algarve, 1974
Acrylic and tempera on canvas
112 x 110 in. (285 x 280 cm)
Hall Collection