Seit den 1980er Jahren gehört Richard Deacon (geb. 1949) zu den bedeutendsten Bildhauern Großbritanniens. Er selbst bezeichnet sich lieber als Objekt-Hersteller, der mit Handwerks- und Bautechniken arbeitet, denn als meißelnder, schnitzender und modellierender Bildhauer. Während seiner mehr als vier Jahrzehnte umfassenden Laufbahn hat Deacon mit den unterschiedlichsten Materialien gearbeitet, z. B. Holzlaminat, rostfreiem Stahl, Wellblech, Polykarbonat, Marmor, Ton, Vinyl, Schaumstoff oder Leder. Für seine kleinformatigen und monumentalen Werke stellt er aus seinen Werkstoffen Strukturen her, in denen sich organische und biomorphe Formen mit technischen Elementen verbinden.
Deacons Untitled 1991 (1991) aus lackiertem Schweißstahl besteht aus drei vertikalen Schlingen, die in ihrem oberen und unteren Bereich horizontalen Achsen durchkreuzt werden und dadurch miteinander verbunden sind. Durch Warmumformung lässt Deacon aus einer flachen Stahlplatte eine dreidimensionale organische Figur entstehen. Die anthropomorphen, Augen, Ohren oder geöffneten Mündern ähnelnden Formen sind in einer dynamischen, luftigen Struktur miteinander verbunden, die im Widerspruch zu dem starren und schweren Stahlmaterial steht. Die Schweißlinien wurden absichtlich sichtbar gelassen, um die Struktur des Werkes und seine Eigenschaft des „Hergestellten“ zu betonen. Mit ihren überlappenden Bögen und welligen Kurven bietet die Skulptur dem Auge des Betrachters aus jedem Blickwinkel komplexe Formen und Überschneidungen.
Bereits seit zwei Jahrzehnten dienen die Installationen, Gemälde, Fotografien und Öffentlichkeitsprojekte des dänisch-isländischen Künstlers Olafur Eliasson (geb. 1967) als Werkzeuge zur Erforschung der kognitiven und kulturellen Bedingungen, die unsere Wahrnehmung prägen. Von umfassenden Farb-, Licht- und Bewegungswelten bis zu Installationen, die Naturphänomene in neue Zusammenhänge setzen, stellt sich sein Werk der Vorstellung von Kunst als einem autonomen Objekt entgegen und positioniert sie stattdessen als Teil einer aktiven Korrelation mit dem Betrachter und dessen individueller Erfahrungswelt. Vom Künstler selbst als „Werkzeuge zum Erfahren von Wirklichkeit“ bezeichnet, schärfen seine einzelnen Arbeiten und Projekte das Bewusstsein dafür, wie wir die Welt sowohl deuten als auch an ihrer Erschaffung teilhaben. Durch künstliche Nachbildung des Natürlichen und dessen Erfassen in Zeit und Raum, regt Eliassons Werk dazu an, sowohl die lineare Rezeption von Raum als auch die Verbindung zwischen Wirklichkeit und ihrer Reproduktion neu auszuloten.
Eliassons Waterfall (2004) stellt sich elementaren Wahrnehmungsformen von der Natur entgegen und setzt dabei bei dem Verständnis von Raum und Bewegung an. Mithilfe eines alltäglichen Industriegerüsts und eines Systems aus Plastikpumpen, die das Wasser zirkulieren lassen, evoziert der Künstler Umfeld, Geräusche und Rhythmus eines natürlichen Wasserfalls und stellt dabei gleichzeitig die Mechanik von Konstruktion und Bewegungsabläufen zur Schau. Indem es die Grenzen zwischen dem Natürlichen und dem Konstrukt verwischt, lädt dieses Werk seine Betrachter dazu ein, ihre eigenen Naturerfahrungen zu überdenken, nicht nur in Hinblick darauf, was sie sehen, sondern wie sie es sehen.
Der britische Künstler Marc Quinn (geb. 1964) ist bekannt für seine Arbeiten, in denen die Grenzen zwischen Kunst und Wissenschaft hinterfragt werden. Quinn arbeitet mit einem breiten Materialspektrum, darunter Eis, Glas, Metall, Marmor und Blei, und in seinem Werk geht es um die unstete Verortung des menschlichen Lebens zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und künstlerischem Ausdruck.
Mit ihren fast 6 Metern Höhe erscheint Quinns The Incredible World of Desire (Phragmipedium Sedenii) (2003 – 2004) vor dem menschlichen Auge so, wie eine echte Orchidee für eine Biene aussehen muss. Das detailgetreue und farbenreiche fotografische Abbild einer Orchidee der Art Phragmipedium Sedenii ist an einem Rahmen aus rostfreiem Stahl befestigt. Während die Skulptur von der Vorder- und Rückseite aus monumental erscheint, mutet sie von der Seite gesehen an wie eine einfache Linie um Raum. Quinn beschreibt diesen Effekt als ähnlich einer „Blume, die einer Landschaft aufgesetzt wurde“ wie ein „Bild, das auf die Oberfläche eines Kinderspielzeugs geklebt wurde“.
The Incredible World of Desire (Phragmipedium Sedenii) (2003 – 2004) ist aus einer Serie von Arbeiten hervorgegangen, bei denen Quinn echte Blumen, unter anderem verschiedene Orchideenarten, mit perfekten Blüten in Silikon gegossen hat. Von allen Pflanzen, sagt Quinn, faszinieren ihn Orchideen ganz besonders:
Orchideen sind wie vollkommene Skulpturen in sich selbst, sie sind voller Farbe, interessanter Formen und Schönheit. Obwohl sie das Reproduktionsorgan von Pflanzen sind, sprechen sie auch diejenigen von Menschen an: Sie lassen einen erkennen, dass sich die Welt um Farbe, Leben und Sexualität dreht. Sie sind ein Fest des Lebens. Ich mag alle Blumenarten. Iris, Sonnenblumen und Flamingoblumen sind großartig, aber keine von ihnen ist so schön wie eine Orchidee.
Wilde Orchideen symbolisieren häufig Fruchtbarkeit, Reinheit und spirituelle Vollkommenheit. The Incredible World of Desire (Phragmipedium Sedenii) (2003 – 2004) soll „das Wunder des Lebens preisen“ und uns, wie Quinn es nennt, an die „überwältigende Sinnlichkeit der Natur“ erinnern, „deren Lebenskraft pures Verlangen ist“.
Die Hall Art Foundation in Reading, Vermont, ist geöffnet an Wochenenden und mittwochs nach Vereinbarung.
Termine können um 11, 13 und 15 Uhr vereinbart werden.
Der Eintritt ist frei.
Spenden für die Unterstützung unserer Programmarbeit werden nach Möglichkeit erbeten.
551 VT Route 106
Reading, VT 05062
Weitere Informationen und Bilder erhalten Sie in unserem Verwaltungsbüro unter der Telefonnummer + 1 212 256 0057 oder per E-Mail: info@hallartfoundation.org. Bitte besuchen Sie auch unsere Website www.hallartfoundation.org.
Richard Deacon
Untitled 1991, 1991
Painted welded steel
63 ½ x 60 x 72 inches
Hall Art Foundation
Courtesy Hall Art Foundation
© Richard Deacon
Olafur Eliasson
Waterfall, 2004 (detail)
Scaffolding, water, wood, foil, aluminum, pump, hose
7 x 6 x 10 m
Hall Art Foundation
© Olafur Eliasson
Marc Quinn
The Incredible World of Desire (Phragmipedium Sedenii), 2003-2004
Weather resistant pigment, resin on stainless steel
231 x 102 x 2 ½ inches
Hall Collection
Courtesy Hall Art Foundation
© Marc Quinn